Siemens, Werner Ernst von
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Als Landwirtssohn am 13. Dezember 1816 auf dem Obergut Lenthe bei Hannover geboren, bezog er nach Hauslehrerunterricht 1832 das Katharinen-Gymnasium zu Lübeck, das er Ostern 1834 mit Prima-Reife verließ. Dann trat er als Offiziersaspirant in die preußische Armee ein und erwarb sich an der Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin eine vielseitige technische Ausbildung. Als ältester von 10 Geschwistern musste sich Werner beim frühen Tod der Eltern 1839/40 als Seconde-Lieutnant und dabei auch als Familienvorstand um Ausbildung und Erziehung der Jüngeren kümmern.
Insbesonders seine Brüder William (1823-1883), Friedrich (1826-1904) und Carl (1829-1906) entschieden sich, mit Werner technische und unternehmerische Aufgaben, zum Teil in Gemeinschaft, wahrzunehmen und sehr effektiv zu gestalten. 1842 erfand Siemens ein System galvanischer Vergoldung, wodurch ihm erstmals die Möglichkeiten der „angewandten Elektrizitätslehre“ bewusst wurden. Als Dreißigjähriger begeisterte er sich für die elektrische Telegrafie und entschloss sich wenig später, seine Militärlaufbahn aufzugeben und fortan ganz als Techniker, Wissenschaftler und Unternehmer tätig zu sein. So schloss er sich 1847 mit dem Universitätsmechaniker J. G. Halske zusammen und gründete mit ihm die „Telegraphen-Bau-Anstalt Siemens & Halske“ in Berlin, die Vorläuferin der späteren Weltfirma Siemens. Mit Bau, Entwicklung und Anlage von elektrischen Telegrafen auf der Grundlage des von Siemens verbesserten und patentierten Zeigertelegrafen machte sich die junge Firma schon 1848 in Preußen und wenige Jahre später auch in Rußland einen geachteten Namen. Bruder Carl wurde ab 1853 mit dem Aufbau der russischen Staatstelegrafen betraut und nach St. Petersburg delegiert, Bruder William Siemens setzte sich ab 1858 in England für den Bau unterseeischer Telegrafenlinien im britischen Empire ein und baute 1863 in Woolwich ein Seekabelwerk, die erste Fabrikniederlassung im Ausland.
Siemens verstand seine Firma besonders als Entwicklungsunternehmen, das sich schließlich aus der elektrischen Nachrichten- und Sicherungstechnik hervorragend auch auf die mit Starkstrom operierende Energietechnik erstreckte. Auf diesem Wege wurde Siemens Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips und die daraus resultierende Dynamomaschine 1866 von ganz entscheidender, dabei auch wirtschaftlicher Bedeutung. Elektrische Licht- und Kraftanlagen, z.B. Straßen- und Hausbeleuchtungen und elektrische Bahnen (1879) sowie Bergbau- und Hüttenbetriebe waren die praktische Auswirkung dieser Entwicklung, die Siemens durch eigene Konstruktionen und die seiner Mitarbeiter - hier seien neben Halske auch Carl Frischen, Oskar Fröhlich und Friedrich von Hefner-Alteneck genannt – stetig verbessert und ausgebaut hat. Im kommunalen Interesse lagen Siemens’ Bemühungen seit 1863 auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Patentwesens, die 1877 zur Gründung des Reichspatentamtes und des Patentgesetzes führten. Auch um die Verbesserung der Marktchancen deutscher Qualitätsarbeit hatte er sich nachhaltig in politischen und wirtschaftspolitischen Gremien bemüht, mit dem Erfolg, dass der Begriff „Made in Germany“ – den England zur Abwehr deutscher Einfuhr 1887 förderte – ins Gegenteil umschlug und fortan als Siegel deutscher Wertarbeit betrachtet wurde.
Sozialpolitische Betriebseinrichtungen seiner Firma wurden teilweise Vorbild für Bismarcks staatlicher Sozialgesetzgebung. Bezüglich staatlicher Forschungsförderung hatte Siemens jahrelang um die Errichtung einer Institution gekämpft, die schließlich 1887 als Physikalisch-Technische-Reichsanstalt (PTR) zustande kam und eine entsprechende weltweite Entwicklung einleitete.
1888 von Kaiser Friedrich III. in den preußischen Adelsstand erhoben, hat Siemens mit der Herausgabe seiner zusammengefassten wissenschaftlichen und technischen Arbeiten sowie seiner Lebenserinnerungen am Ende seines vielfältig-kreativen Schaffens eine einzigartige Dokumentation zur deutschen Technik- und Wirtschaftsgeschichte geliefert, die auch heute noch mit Gewinn gelesen wird. Nach kurzer Erkrankung verstarb Siemens 76-jährig am 6. Dezember 1892 in Berlin. Die Erinnerung an ihn wird nicht nur durch sein heute noch bestehendes Unternehmen sondern auch durch die „Stiftung Werner-von-Siemens-Ring“ wach gehalten, eine Auszeichnung, die verdienten deutschen Ingenieuren und Erfindern für besondere Leistungen zuerkannt werden kann.